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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 27.04.2010


Solveig Slettahjell Slow Motion Orchestra - Tarpan Season
Undine Zimmer

Das sechste Album der preisgekrönten Norwegerin interpretiert Zeilen der amerikanischen Dichterin Emily Dickinson, erweckt ausgestorbene Wildpferde zum Leben und schmeichelt den Ohrmuscheln.




"Tarpan"? Tarpan bezeichnet eine ausgestorbene Wildpferdart westlich des Urals, die in der Steppe oder im Wald lebten. "Tarpan Seasons" nimmt die Hörerin mit auf einen 48 Minuten langen verträumten musikalischen Ausritt durch raschelnde und knisternde musikalische Landschaften. Die kleinen Geräusche, die so typisch sind für Slettahjells Songs, gepaart mit den warmen melodiösen Klängen ihrer Stimme lassen die Welt für eine Weile abtauchen: "He had the world at his fingertips as it disappeared into the night..." ("Into the Night")

Gospel, Country, Folk-Pop-Jazz so richtig kann und mag man das Slow Motion Orchestra nicht einordnen. Die hauchige Stimme von Slettahjell legt jedes Wort präzise an seinen Platz - das kann keine andere Sängerin so in slow motion und derart kraftvoll. Skandinavischer Folk-Jazz ist schon seit einigen Jahren bekannt als eine Legierung aus Klavier, Trompete und Stimme, die klingt wie klares Wasser und grüne Wälder. Slow Motion Orchestra mit Slettahjell lehnt sich ab und zu in diese Richtung (zum Beispiel im Song "A Day"), vermischt diese fast spirituellen Klänge mit elektrischem Zirpen, Knacken und Lauten von Harfen und Streichern. Konsonanten benutzt die Sängerin rhythmisch und lässt sie mit dem Ticken der Snare verschmelzen. Andere Songs leben von einem weichen Bass und dem Schlagzeug, sie erinnern an die erzählenden Balladen von Bertold Brecht und Kurt Weill - nur dass sie viel weicher sind: "Maybe I just loose it all and never sing a note again so I guess that ever changing rythm of life is the chor of it all" ("Precise content")

Die Kompositionen nehmen sich Zeit und lassen auch ihre Hörerin zur Ruhe kommen, lehrt sie jeden Ton wahrzunehmen und zu genießen. Man kann die CD zwar auch einfach laufen lassen, aber wenn man den Songs zuhören möchte, erzählen sie kleine Geschichten. Slow Motion Orchestra hatte von Anfang an eine eigene besondere Tonfarbe, trotzdem ist man froh, dass Slettahjell die Jazzstandards hinter sich gelassen hat und spätestens seit ihrem dritten Album "Pixiedust" die Songs mit ihrem Orchestra selber schreibt.

Diese Musik trägt und lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Trotz ihrem leisen und melancholischen Klang sind diese Songs voller Energie und Lebensbejahend. Das haben sie vom Jazz und Blues: "Oh be steady... (Bass: dum dum didum )... oh be strong... (Bass: dum dum da da dam)... oh be steady... (Bass: du dum)... oh be strong... the stairs, the showers, the night, the forks, the bikes, the buzzes, the friends, the crushes... oh be steady... Fünf Minuten und 12 Sekunden sind eine viel zu kurze Ewigkeit für diesen Song, der gospelig vom Harmonium angetrieben wird, aufgeputscht mit einer Gänsehaut erzeugenden Tonart-Erhöhung, bis er sich dann wieder beruhigt und langsam und tröstend austropft: "And if you fall... please let me... carry... yoouuu" ("Be Steady")

AVIVA-Tipp: "Tarpan Season" geht so sanft und weich ins Ohr, wie Schokostreusel auf warmem Toast schmelzen. Bedächtig ist immer noch das taktgebende Tempo der behaglich knisternden Songs. Muskeln werden ja bekanntlich am besten durch viele langsame Wiederholungen aufgebaut und so sind diese zwölf Songs in ihrer Gemächlichkeit auch kraftvoll und intensiv. Wer das Slow Motion Orchestra einmal für sich entdeckt hat, wird sich über die "Wiederholung" in neuen Variationen freuen, denn trotz dem charakteristischen Klang gleicht kein Lied dem anderen. Wer Slettahjell und ihr Orchestra noch nicht kennt, kann sich darauf freuen etwas ganz Ungewöhnliches zu entdecken.

Solveig Slettahjell Slow Motion Orchestra
Tarpan Season

Label: Emarcy Records (Universal), VÖ: 22.01.2010

Solveig Slettahjell im Netz: www.solveigslettahjell.no

Weiterhören auf AVIVA-Berlin:

"Pixiedust" von Solveig Slettahjell

"Rykestrasse 68" von Hanne Hukkelberg

"Trollsang" von Kerstin Blodig

"Live in Scandinavia" von Ane Brun

"Morning Hours" von Rebekka Bakken

"I Keep My Cool" von Rebekka Bakken

"Let Go" von Randi Tytingvaag

"Red" von Randi Tytingvaag

"If a song could get me you" von Marit Larsen

"Darkness out of blue" von Silje Nergaard



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Beitrag vom 27.04.2010

Undine Zimmer